The Slackers
Self Medication

Der Ideenreichtum der Slackers scheint schier unerschöpflich zu sein. Kaum hat Vic Ruggiero, einer der Köpfe der Band, seine Solopfade wieder einmal verlassen, liegt mit "Self Medication" (Moanin') erneut ein ganz feines Album von der Band vor, die überzeugend Ska und andere jamaikanische Sounds mit uramerikanischen Wurzeln zusammengebracht haben. Vic hat zum neuen Album einigen Fragen beantwortet.

Ihr habt schon so viele Platten aufgenommen, dass keiner mehr genau weiß, wie viele es sind. 14? 15? Was unterscheidet „Self Medication“ davon – in zwei Worten ausgedrückt?

Was die Platte unterscheidet... „glückliche Band“. Das ist ziemlich ungewöhnlich. Die Band mag die Alben normalerweise. Oder denkt, dass wir etwas erreicht haben. Aber es ist sehr selten, dass alle eine Platte von vorne bis hinten mögen. Leute aus der Band haben sich die Platte sogar zu Hause angehört – weil sie ihnen Spaß macht. Das ist ziemlich cool.

Wie kommt das, was ist bei früheren Platten schief gelaufen?

Das hängt von der Platte hab. Bei „Close My Eyes“ zum Beispiel dachten einige, dass es zu sehr meine Platte war. Ich fand sie ziemlich cool, aber ein paar aus der Band finden das nicht. „The Question“ mochten alle, aber das Album war irgendwie unfertig. „Wasted Days“ – da waren alle einfach durch den Wind und mit allen möglichen Sachen unzufrieden. Die neue Platte ist die erste seit langer Zeit, bei der alle denken – wow, so ist es gut.

Was habt ihr dieses Mal anders gemacht?

„Close My Eyes“ wurde noch komplett auf Band aufgenommen. Die neue ist komplett digital produziert – das war ziemlich fremd für uns. Es ist das erste Mal, dass wir das gemacht haben. So konnte zum Beispiel Jay seine Parts selbst aufnehmen. Er nahm die Stücke mit nach Hause und nahm die Gitarren auf. Er hat sich ziemlich coole Sachen ausgedacht, auf die ich nie gekommen wäre. Ich habe mit den Bläsern gearbeitet, bei mir im Wohnzimmer. Wir haben zusammen die Arrangements ausgetüftelt. Als ich dann eim Mix war, habe ich die Platte mit zu Jay genommen, und wir haben den Mix zusammen angehört – Glen, Marcus und Jay. Und die Jungs sagten: Mach mal dies und das lauter. Dreh die Orgel auf. So was eben. Originelle Einfälle, die ich nicht erwartet hätte.

Woher kommen die 60ies-Elemente?

Wir wollten immer einen Psychedelic-Einfluss. Schon immer, seit wir mit The Question auf Tour waren. Wir haben damals im Bus Beatles-Platten angehört. Danach waren wir nicht mehr dieselben... Wir haben uns gefragt: Warum machen Ska-Bands eigentlich nicht so Sachen wie sie die Beatles gemacht hätten? Diesmal hatten wir bei den Aufnahmen Zeit – keiner hat gedrängelt und gesagt: Die Platte muss auf den Markt! Keiner hat Geld reingesteckt – außer uns. Deswegen hatten wir Zeit. Also haben wir uns die Songs vorgenommen – bei einigen habe ich akustische Gitarren eingespielt, an merkwürdigen Stellen. Und wir haben seltsame Geräusche eingebaut...

Viele Leute mögen besonders den ersten Song und die Zeile: „Everyday is sunday when your're unemployed...“ Was ist die Story dahinter?

Ich war zu der Zeit unterwegs und habe irgendwelche Sachen erledigt. Währenddessen hing Marcus (der den Song geschrieben hat) in New York rum und dachte sich: Was zur Hölle machen wir eigentlich... es ist Sommer, und wir spielen keine Konzerte... Marcus ist ein zielorientierter Typ. Er betrachtet die Band als Job. Natürlich ist die Band ein Job, für alle von uns. Aber für ihn... wenn die Band als Teil seines Lebens nicht wäre, müsste er irgendeinen anderen Job machen. Ich meine – ich dagegen habe die Band gegründet, damit ich keinen Job machen muss! Ich habe nicht erwartet, dass sie derart zu einem Job werden würde wie heute. Es ist eine Menge Arbeit... du kannst nicht immer deinen Traum leben. Es ist oft so – du sitzt in deinem Wohnzimmer und musst deine Freunde bitten: Hey, macht mal den Fernseher leiser, ich versuche hier, eine Platte zu mixen (lacht). Aber klar, irgendwie passt der Songs in die heutige Zeit. Eine Menge Leute werden arbeitslos, und die denken anders über das Thema.

Vor einiger Zeit habt ihr von der Bühne die Lehren der „Church of Slack“ verkündet – die Kirche der Rumhänger. Hat Everyday is sunday etwas damit zu tun?

Die Church of Slack sagt: Fühl dich wohl, so wie du bist. Lass dich nicht von Leuten irritieren die dir sagen: Du bist ein Penner, du solltest lieber glauben, was wir sagen – und besser mal in die Kirche gehen. Es ging darum, dass man sich nicht an der so genannten Normalität orientieren muss. Everyday is sunday ist die andere Seite davon: Manchmal willst du einfach sein wie alle anderen. Du würdest dich gerne auf's Wochenende freuen, darauf, in die Kneipe zu gehen – statt ständig in  Kneipen Musik zu machen! Und dein Job besteht darin, für andere Leute Party zu machen... Es geht darum: Worauf kannst du dich freuen? Irgendwie geht es den Rock'n'Roll-Typen wohl so ähnlich, die sind alle Möchtegern-Mittelklasse. Diese ganzen Punks in Los Angeles – die spielen jetzt alle Golf. Man fragt sich: Woher zur Hölle kommt das?

Auf der letzten Platte, "Peculiar", gab es sehr offen politische Songs - gegen die Politik der Bush-Regierung. Sind die Slackers mit "Self Medication" wieder zu mehr persönlichen Stories zurückgekehrt?

Der Song „Don't forget the streets“ hat die gleiche Haltung, die man auch in einem politischen Song haben könnte – nur, dass er von der persönlichen Dingen handelt. Diese Songs handeln von eher pesönlichen Dingen, ja, du hast Recht. Die Songs handeln nicht unbedingt von der Regierung, auch wenn sich Zeilen wie "I'm sure I'll see the tiny grow up strong an cruel, but don't think for one minute that I'll obey their rules" finden lassen. Es ist eher eine Art Positionierung über alles. Jetzt reden alle über Politik. Aber als wir das Album "Peculiar" aufgenommen haben, tat das in den USA niemand. Wir dachten: Hey Mann – irgendwer muss das tun! Ich hätte es nicht getan, wenn es zu der Zeit jeder getan hätte, weil ich mir sicher bin, dass es andere, wie Bruce Springsteen, besser als ich machen könnten, aber auch er hat es nicht getan. Wo waren die Strokes? Was haben sie gemacht?


Interview: Sebastian Kauer (11/2008)